Letztes Wochenende fand in Riesa der Parteitag der AfD statt. Dort wurde nicht nur Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin erklärt, sondern es gab auch einige Aspekte, die den opportunistischen und radikalen Charakter der Partei weiter offenbaren. Fünf dieser Punkte möchte ich hier für alle herausarbeiten. Dadurch habt ihr eine zentrale Quelle, die ihr euch abspeichern und teilen könnt.
1.) Remigration kann alles heißen
Das Wort „Remigration“ hat sich bis hin zur Kanzlerkandidatin in den Kern der AfD vorgearbeitet. Es steht jetzt auch offen im Wahlprogramm. Dabei gibt sich Weidel in Reden und Interviews gerne gemäßigt und versucht den Begriff zu normalisieren.
Der Abgeordnete Matthias Helferich – in NRW zur Bundestagswahl auf den aussichtsreichen Listenplatz 6 gewählt – sagte in seiner Rede: „Es gibt sogar autochthone Deutsche, die ich allzu gerne remigrieren möchte.“
Autochthon bedeutet in der Völkerkunde: (von Völkern oder Stämmen) eingeboren, einheimisch, indigen.
Wenn also ein Abgeordneter davon spricht, die einheimische Bevölkerung „remigrieren“ zu wollen, kann der Sinn des Wortes weder auf freiwillige Rückkehr ins Heimatland, noch auf eine spezifische Menschengruppe eingeschränkt werden, wie man uns immer wieder weiß machen möchte.
Wenn – wie besonders die AfD autochthon immer wieder nutzt – „indigene Deutsche“ remigrieren möchte, wohin genau soll das dann sein? Es kann sich hierbei unmöglich um eine „Rückkehr in die Heimat“ handeln, weil man aus eben dieser Heimat verbannt werden soll. Das bedeutet auf die eigene Bevölkerung angewendet „Exil“ und auf Menschen ohne deutschen Pass eben doch „Deportation“.
Helfreich ist damit nicht allein. Lena Kotré aus dem Landesverband in Brandenburg traf sich offen mit Rechtsextremen Gruppen in der Schweiz. Dort sprach sie davon, auch politische Gegner ausbürgern und „remigrieren“ zu wollen.
Es ist also nicht zu leugnen, dass die AfD das Wort „Remigration“ nutzt, um damit nicht offen über Deportation, Ausweisung oder Exil sprechen zu müssen. Ein harmloses Wort um die Bürgerschaft zu täuschen und sich gegenüber der Presse vermeintlich liberal geben zu können. Was am Ende tatsächlich damit gemeint ist, bestimmt allerdings allein die Mehrheit in der Partei. Immerhin hatte man sich letztes Jahr noch von dem „Geheimtreffen“ in Potsdam distanziert. Jetzt werden dort besprochene Pläne ins Wahlprogramm übernommen.
2.) Niemand ist sicher – AfD stößt ihr eigenes Vorfeld ab
Umso bemerkenswerter ist es, dass die AfD ihr eigenes Vorfeld abstößt. Die Jugendabteilung – die sogenannte Junge Alternative – wurde in einem Mehrheitsbeschluss auf dem Parteitag von der Partei abgestoßen. Der Grund dafür sollte klar sein: Sie ist zu radikal, um die bürgerlich-libertäre Fassade aufrecht halten zu können. Zudem wird ein Verbotsverfahren immer wahrscheinlicher. Dabei zählt auch das Umfeld in die Bewertung mit rein. Menschen wie Erik Ahrens – einst für den Erfolg von Maximilian Krah auf TikTok verantwortlich – sind daher den Funktionäre ein Dorn im Auge. Kein Wunder. Versucht Ahrens doch offen Ideologien wie Eugenik zurückzubringen.
Nach dem Ausschluss von der Partei, wurde von Seiten der Jungen Alternative umgehend damit begonnen „Verräterlisten“ anzulegen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Insbesondere auch, da die AfD zuletzt mit vielen Stimmen unter der jungen Wählerschaft punkten konnte. Bemerkenswert also, dass man diese Stimmen und das eigene Vorfeld so dicht vor der Bundestagswahl riskiert und zu opfern bereit ist.
Entsprechend zeigt sich der opportunistische Charakter der AfD, vor dem selbst vermeintlich Verbündete nicht sicher sind. Entsprechend ernst muss man die Äußerungen von Kotré und Helferich in Kombination bewerten, auch autochthone Staatsbürger bei politisch unbequemen Positionen deportieren – Verzeihung! „remigrieren“ – zu wollen. Daraus folgt, dass nur diejenigen sicher sind, die den Kurs der Parteimehrheit mitgehen. Und auch nur, solange sie ihn mitgehen.
Die Parteimehrheit wiederum, das hat sich unleugbar herausgestellt, wird von einem radikalen Kern innerhalb der Partei vorangetrieben und entsprechend der eigenen Vorstellungen geformt. Nach außen bürgerlich-Weidel. Im inneren radikal-Höcke.
3.) AfD hasst Wissenschaftsfreiheit
Was der Partei nicht passt, muss abgeschoben werden. Was aber, wenn man es nicht abschieben kann?
Richtig! Dann wird verboten!
Den Anfang dabei macht das Ende von Wissenschaftsfreiheit. Denn die AfD fordert das Ende von „Gender-Studies“.
„Wir schließen alle Gender Studies – und schmeißen alle diese Professoren raus“
Ist klar: Wir beenden sämtliche Forschung zu Diskriminierung auf Basis des Geschlechts. Dann könne wir sie besser wegleugnen und stattdessen unser neues Gesellschaftsbild etablieren.
Womit wir beim nächsten Punkt sind.
4.) Familie ist, was die Partei sagt
„Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kind, ist die Keimzelle des Staates“, heißt es jetzt im Wahlprogramm.
Das ist nicht isoliert zu betrachten, sondern innerhalb des kompletten Weltbilds der AfD.
Man deportiert alle, die man nicht im Land haben will. Man verbietet alles, was Diskriminierung und Geschlechterunterschiede aufdecken könnte und erklärt am Ende ein traditionelles Familienbild als Keimzelle, bei dem nur ein Elternteil arbeiten soll. Im Grundsatzprogramm wird auch das eindeutig erfasst, unter dem Punkt „6.5 Diskriminierung der Vollzeit-Mütter stoppen„.
Unter 6.3 heißt es zudem wörtlich:
„So muss eine alternative Familienpolitik die Familie als wertegebende Grundeinheit finanziell und ideell stärken.“
Wie lange hierbei abweichende Familienmodelle akzeptiert werden, bleibt abzuwarten.
Sämtliche Zusicherungen von Seiten der Partei sind dabei als unglaubwürdig zu betrachten. Wenn sich radikalere Personen und Forderungen in Partei und Gesellschaft durchgesetzt haben, wird sich auch das ändern. Ebenso wie wir das bereits bei den Distanzierungen von radikalen Forderungen rund um „Remigration“ erlebt haben, wie oben bereits ausgeführt.
5.) Das Ende zukunftsträchtiger Energiepolitik
Weil die AfD nun mal ein grundsätzliches Problem mit Klimaschutz hat, muss sie auch vernünftige Energiepolitik ablehnen. Entsprechend stellt Alice Weidel auf dem Parteitag klar, dass „alle Windräder“ abgerissen würden. Zwar wurde das im Kontext von 18 Windrädern im sogenannten „Märchenwald“ in Weidels Rede gefordert, was Weidel zu diversen Relativierungsversuchen vor dem Medienlandschaft veranlasste. Höcke bezog sich jedoch auf Weidels Aussagen und setzte nach: „Wenn wir die Regierungsverantwortung in Deutschland haben, dann werden wir die Windindustrieanlagen in Deutschland zurückbauen und zwar rechtsstaatskonform, aber komplett.“
Ein Drittel unseres Stroms in Deutschland kommt aus Windkraft.
Angenommen, die AfD hätte die absolute Mehrheit und würde Windkraft mit Atomstrom ersetzen wollen, so dauert alleine der Bau dieser Kraftwerke weit länger als eine Regierungszeit. In Frankreich hat der Bau des Atomkraftwerks Flamanville 3 alleine 17 Jahre gedauert! Also länger als die gesamte Amtszeit von Angela Merkel. Absolut ausgeschlossen und undenkbar also, dass die AfD auf Windkraft in Deutschland verzichten könnte. Das ist hier als Wählertäuschung zu werten, um damit Stimmen zu sammeln.
Wenn man am Ende doch an der Windkraft festhalten muss, wird man einfach allen anderen Parteien die Schuld daran geben. Gleiches erleben wir bereits bei den gebrochenen Wahlversprechen des AfD Bürgermeisters Hannes Loth.
Diese Forderung der AfD ist realpolitisch betrachtet ein absoluter Totalausfall.
Besonders verwunderlich auch deshalb, weil man von Förderer Elon Musk entgegengesetzte Töne hört. Windkraft, Solar und Batteriespeicher würden die Energieprobleme der Erde lösen.
Falls sich irgendwer tatsächlich wunderte, warum Alice Weidel im Gespräch mit Musk so handzahm und beinahe abstrus unpolitisch in Teilen agierte, hat er hier einen Grund gefunden. Man möchte sich die Unterstützung von Musk für PR sichern. Deshalb vermeidet man Themen, bei denen man den reichsten Mann der Welt womöglich verärgern könnte. Dass das zu funktionieren scheint, spricht nicht für Musk.
Noch schlimmer wäre es jedoch, wenn es mit unserer Gesellschaft funktionieren würde.
Der Charakter der AfD steht nicht mehr zur Diskussion.
Sie zeigt, dass sie radikale Forderungen übernimmt, wenn sie glaubt, damit durchzukommen,
Sie zeigt, dass sie vor den eigenen Reihen nicht halt macht und hemmungslos aussortiert, wenn es dem politischen Erfolg nutzt.
Sie zeigt, dass sie opportunistisch agiert und nicht nur Musk, sondern auch ihre eigenen Wähler zu täuschen versucht.
Sie zeigt, dass ihr Weltbild alles andere als offen ist – und sich alle, die ihr widersprechen, in Acht nehmen müssen.
Streng genommen keine Neuigkeiten. Nach den jüngsten Widersprüchen gibt es jedoch immer mehr, die sich von der Partei abwenden. Es lässt sich halt niemand gerne verarschen. Auch nicht von Alice und der AfD.